Der Leistungsdiagnostiker Dominik Schammne entnimmt Melanie, einer Sprinterin, beim Laufbandtest ein Tröpfchen Blut aus dem Ohrläppchen. Die Laktatkonzentration im Blut gibt Aufschluss über die Fitness der Sportlerin.


Wie sinnvoll ist Ausdauertraining für Kinder?


Sportmediziner haben keine Einwände gegen lange andauernde Belastungen

Kann Ausdauer schon im Kindesalter trainiert werden? Wenn ja, welche Trainingseffekte sind möglich? „Diese Fragen standen lange im Raum“, sagt der Saarbrücker Sportmediziner Professor Dr. Wilfried Kindermann. „Zunächst kam die Wissenschaft zu dem Ergebnis, dass Kinder ab einem Alter von zirka zehn Jahren trainierbar sind. Aber sehr bald mehrten sich die Befunde, dass Trainingseffekte bereits in einem früheren Lebensalter möglich sind. Doch wo die untere Grenze tatsächlich liegt, kann auch heute noch nicht sicher gesagt werden. Es ist schwierig, standardisierte Studien an Vorschulkindern oder jungen Schulkindern durchzuführen.“

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Es reicht aus, wenn Jugendliche erst mit 14 Jahren mit einem gezielten, leistungsorientierten Ausdauertraining beginnen.

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Diese Kernspintomografen-Aufnahmen zeigen, dass ein Sportherz (rechts) ein deutlich größeres Volumen als ein normales Herz aufweist. Bilder: Universität des Saarlandes

Wilfried Kindermann hatte bereits in den 70er Jahren an der Universitätsklinik in Freiburg Kinder untersucht, die Marathon liefen. Das erstaunliche Ergebnis: „Schon bei Kindern ist die Entwicklung eines Sportherzens nachweisbar.“ Zur gleichen Zeit hatten Sportmediziner der Deutschen Sporthochschule Köln sogar bei acht Jahre alten Schwimmern eine Zunahme der Herzgrößen festgestellt. Die Sportkardiologie, die sich mit den Grenzen der Belastbarkeit des Herzens und dessen Anpassung an Belastungen befasst, war für Kindermann auch in Saarbrücken ein zentraler Arbeits- und Forschungsschwerpunkt. Die in dieser Zeit durchgeführten Studien vervollständigten das Wissen über das Sportherz, das ein harmonisch vergrößertes Herz mit angestiegener Muskelmasse der linken und rechten Herzkammer darstellt. „Ein Sportherz ist also ein gesundes und besonders leistungsfähiges Herz“, sagt Wilfried Kindermann.

Es gibt Hinweise darauf, dass Kinder lange andauernde Belastungen gut vertragen. Dr. William Roberts, Medizinprofessor an der Universität von Minnesota (USA), hat von 1982 bis 2007 immer beim gleichen Wettbewerb 310 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sieben und 17 Jahren untersucht, die die Marathon-Distanz über 42,195 Kilometer bewältigt hatten. Die langsamste Teilnehmerin, ein sieben Jahre altes Mädchen, kam nach 6 Stunden und 10 Minuten ins Ziel, der schnellste Läufer, ein 17 Jahre alter Junge, überlief nach 2 Stunden und 53 Minuten die Ziellinie. In den 26 Jahren, in denen Roberts die jungen Sportler begleitete, suchten nur vier Kinder das Medizin-Zelt auf. Sie brauchten jedoch keine medizinische Behandlung, sondern nur eine Verschnaufpause.

Gut trainierte elf- bis 13-jährige Kinder können einen Marathon ohne Probleme in rund dreieinhalb bis vier Stunden absolvieren. In Deutschland hat der Deutsche Leichtathletik-Verband allerdings bereits 1984 die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Marathonläufen untersagt, weil er keine so frühe Spezialisierung will. In Österreich und der Schweiz hingegen dürfen auch Kinder Marathons laufen. „Aus medizinischer Sicht ist nichts dagegen einzuwenden, dass Kinder einen Marathon absolvieren“, erklärt Kindermann. „Eltern müssen sich deshalb nicht sorgen, aber sie sollten ihre Kinder aus falsch verstandenem Ehrgeiz auch nicht antreiben.“ Um für einen Marathon fit zu sein, müssen Kinder pro Woche ein Trainingspensum von 40 bis 50 oder mehr Laufkilometern bewältigen. „Das läuft auf ein einseitiges Training hinaus, das man nicht uneingeschränkt gutheißen kann.“