Wenn Kinder wachsen, sind O-Beine und X-Beine normal

Eine vermeintliche Fehlstellung der Beine, wie O- und X-Beine oder nach innen gedrehte Füße, ist bis zum Schulalter meist nicht krankhaft, sondern in der Regel auf ein verzögertes Wachstum zurückzuführen.

Säuglinge und Kleinkinder haben immer O-Beine. Steht ein einjähriges Kind aufrecht mit aneinandergestellten Fußknöcheln, dann weist es O-Beine auf. Mit der breiten Hand kann man problemlos zwischen den Kniegelenken hindurchgreifen. Zum Ende des ersten Lebensjahres verschwinden die O-Beine, und schon ein Jahr später können Eltern bei ihren Kindern starke X-Beine beobachten. Spätestens bis zum Alter von drei Jahren haben sich die O-Beine in X-Beine verwandelt. Es handelt sich jedoch um kindliche, vorübergehende X-Beine.

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Säuglinge haben stets O-Beine. Das ist völlig natürlich. Berühren sich die Innenknöchel der Füßchen, dann haben die Kniegelenke immer einen deutlichen Abstand voneinander. Erst zum Ende des ersten Lebensjahres verschwinden die O-Beine.

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Korrekte Beinachsen im Stehen: Bei Mädchen ab dem 14. Lebensjahr und Jungen ab dem 16. Lebensjahr sollten Beine und Füße die richtige Endposition erreicht haben. Steht das Kind bei durchgedrückten Knien gerade und berühren sich die Innenknöchel seiner Füße, dann sollte ein etwa zwei Finger breiter Abstand zwischen den Kniegelenken zu sehen sein.

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Das Bild zeigt, wie eine korrekte Beinachse mit normaler Fußstellung beim Gehen aussieht. Die Kniescheiben und somit die Kniegelenke sind genau nach vorne gerichtet, die Füße zeigen um zehn bis 15 Grad nach außen.

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Das Bild zeigt die Beine eines 16-jährigen Jugendlichen, dessen rechter Unterschenkel eine Fehlstellung aufweist. Das Kniegelenk (Kniescheibe) des Beines zeigt genau nach vorn. Wäre die Beinachse normal, müsste nun der Fuß um zehn bis 15 Grad nach außen gedreht sein. Er ist jedoch um zehn Grad nach innen gedreht. Man nennt das Innenrotations-Fehler. In diesem Fall drückt sich der Fuß nicht mehr über den großen Zeh ab, sondern über die äußeren Zehen. Optimales Laufen ist damit nicht möglich.

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Bei einem Knicksenkfuß ist das Längsgewölbe an der Innenseite des Fußes zusammengesackt und der hintere Teil des Fußes (Rückfuß) kippt deutlich sichtbar nach innen. Auf dem hier gezeigten Bild sind beide Füße betroffen.

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Bei diesem Jungen sind die Unterschenkel und Füße beider Beine stark nach außen verdreht. Da der betroffene Jugendliche bereits starke Schmerzen in den Kniegelenken hat, raten die Ärzte zu einer Operation. Um die Beinachsen zu korrigieren, werden die Unterschenkelknochen durchtrennt, dann verdreht und neu zusammengefügt. Eine Fehlstellung, bei der die Füße weit nach außen zeigen, wenn die Kniescheiben nach vorne gerichtet sind, wird Außenrotations-Fehler genannt.

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Das Bild zeigt die ausgeprägten X-Beine eines 14-jährigen Jungen. Die Kniegelenke berühren sich an den Innenseiten, die Innenknöchel der Füße haben jedoch einen weiten Abstand zueinander. Normal ist, dass sich im Stehen bei durchgestreckten Knien die Fußknöchel berühren und gleichzeitig ein etwa zwei Finger breiter Abstand zwischen den Kniegelenken vorhanden ist.

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Dieses 14 Jahre alte Mädchen hat deutlich sichtbare O-Beine. Da seine Beine noch nicht ausgewachsen, die Wachtstumsfugen also noch nicht geschlossen sind, kann durch eine Operation versucht werden, die O-Beine zu begradigen. Dazu wird in der Regel die obere Wachstumsfuge an der Außenseite des Unterschenkelknochens durch eine einoperierte Klammer „blockiert“. Dadurch wird an dieser Stelle das Wachstum des Knochens gestoppt. An der Innenseite hingegen wächst der Knochen ungehindert weiter. Dadurch wird das O-Beine wieder gerade. Bei Bedarf kann eine Klammer auch an der Außenseite des unteren Oberschenkelknochens einoperiert werden oder sogar in Unter- und Oberschenkelknochen. Eine solche Operation wird Epiphyseodese genannt.

Auf Dauer würde eine solche X-Beinstellung die Füße sehr ungünstig belasten, weil sie nach innen kippen müssten, um das Gleichgewicht zu halten. Wenn das Kind in den Folgejahren wächst, reduziert sich die X-Bein-Position, die medizinisch als Valgus-Stellung der Knie bezeichnet wird. Mit der Einschulung, spätestens aber bis zum achten Lebensjahr sind die starken X-Beine meist verschwunden. Es bleibt ein leichtes, sogenanntes physiologisches X-Bein zurück. Bei zusammengestellten Füßen sollte man dann nur noch ein bis zwei Finger zwischen die Knie-Innenseiten legen können.

20 Prozent der Kinder haben X- oder O-Beine
80 Prozent der beim Kid-Check untersuchten Kinder über zehn Jahre haben eine gesunde Beinachse. Bei elf Prozent stellten die Mediziner verstärkte X-Beine fest, bei neun Prozent O-Beine. In diesen Fällen muss in den weiteren Wachstumsphasen überprüft werden, ob die Fehlstellung der Beinachse verschwindet.

Die Knochen der Beine bauen sich während der Entwicklung vom Säugling zum Teenager ständig um. Die mehrfach veränderte Form ist auch eine Reaktion auf das Wachstum des gesamten Körpers, bei dem auch die Wirbelsäule, das Becken und die Füße umgebildet werden. Wissenschaftler machen für die auffällige Entwicklung der Beine eine „Eigenintelligenz“ der Knochen verantwortlich. Knochen bestehen in weiten Teilen aus einer harten, aber schwammförmig aufgebauten Balkenstruktur. Diese entwickelt sich im Lauf des Lebens so, dass Krafteinwirkungen von außen, wie sie zum Beispiel beim Laufen, beim Springen, aber auch bei Stürzen auftreten, die Knochen nur minimal belasten.

Starke Muskeln fördern Knochenwachstum
Auch kräftige Muskeln und Sehnen können einzelne Knochen be- oder entlasten. Man weiß seit Langem, dass kurze, harte, mehrmals wiederholte Schläge, wie sie beim Springen, Hüpfen und Sprinten auftreten, das Knochenwachstum fördern. Krafttraining hat den gleichen, wenn auch etwas schwächeren Effekt. Gespannte Muskeln üben auf Knochen, an denen sie über Sehnen verankert sind, starke Zugkräfte aus. Solche mechanischen Reize fördern den Knochenaufbau. Eltern sollten sich im Klaren darüber sein, dass nur ausreichende Bewegung die Füße und Beine ihrer Kinder gesund wachsen lässt.

Die Umbauvorgänge in den Knochen führen erst im Alter von sechs Jahren zu einer normal aufgerichteten Beinachse. Wie komplex diese Anpassung ist, zeigten Wissenschaftler des Universitätsklinikums Münster. Dieter Rosenbaum, Kerstin Bosch und Joachim Gerß begleiteten Kinder über neun Jahre in ihrer Entwicklung, beginnend im Alter von 14 Monaten. Die Forscher fanden neben wachstumsbedingten Veränderungen im Skelett auch deutliche Änderungen des Gangbildes. Während das Gehirn der Kinder reifte, wurde zum Beispiel die Belastung der Füße beim Gehen gleichmäßiger. Ein sicheres Gehen setzt also nicht nur stabile Knochen voraus, sondern auch eine zielgerichtete Ansteuerung der Muskulatur durch das Gehirn. Das kann durch Koordinationstraining gefördert werden.

Kinder drehen beim Gehen die Füße nach innen
Kinderärzte berichten von besorgten Eltern, die einen nach innen gedrehten Gang bei ihrem Kind beobachten und daher eine krankhafte Fehlhaltung befürchten. Auch hier können die Experten oft beruhigen. Im Laufe des Wachstums verändert sich der Winkel, in dem der Oberschenkelhals - das obere abgeknickte Ende des Oberschenkelknochens - im Hüftgelenk nach vorne gedreht ist. Bei Kindern ist diese Verdrehung mit 30 Grad noch sehr groß. Der Körper dreht als Konsequenz das Bein im Hüftgelenk etwas nach innen, damit der Hüftgelenkskopf optimal in der Hüftgelenkspfanne sitzt. Das Gelenk wird dadurch optimal belastet. So kommt das nach innen gedrehte Gangbild von Kindern zustande. Wird dieser Verdrehungswinkel im Lauf des Wachstums kleiner, dann muss der Körper das Bein beim Gehen nicht mehr so stark nach innen drehen und Bein und Fuß drehen sich beim Gehen leicht nach außen.

Das Schienbein dreht sich wie ein Korkenzieher
Gleichzeitig wächst das Schienbein der Kinder nicht nur in die Länge, sondern dreht sich beim Wachsen auch wie ein Korkenzieher nach außen. Bis zum zweiten Lebensjahr gehen Kinder zunächst immer mit stark nach innen gedrehten Füßen. In den folgenden Jahren drehen sich die Beine jedoch zunehmend nach außen. Bei Sechsjährigen sind die Füße bereits etwa fünf Grad nach außen gedreht. Ab dem zwölften Lebensjahr haben sich Hüfte und Unterschenkel so weit gedreht, dass die Füße fünf bis 15 Grad nach außen gedreht sind, wenn die Kniegelenke genau nach vorne gerichtet sind. So wird beim Gehen das Körpergewicht automatisch über den Ballen des großen Zehs abgerollt.

Spätestens bis zum 14. Lebensjahr sollte sich bei Jugendlichen die Endposition der Beinachsen herausgebildet haben. Ob dies der Fall ist, können Eltern selbst testen. Steht das Kind gerade und berühren sich seine Innenknöchel, dann sollte bei durchgedrückten Knien ein etwa zwei Finger breiter Abstand zwischen den Kniegelenken sein. Aber Vorsicht: Nicht jede Abweichung ist direkt eine Fehlstellung und erst recht keine Erkrankung. Schließlich sind wir nicht wie Maschinen konstruiert, sondern individuell verschieden gewachsen.