Balancieren gegen Bänderrisse
Schon junge Fußballspieler sollten gezielt Gleichgewicht und Koordination trainieren

Fußball ist weltweit die beliebteste Sportart. Hohes Tempo, schnelle Bewegungswechsel und kurze Sprints prägen das Spiel. Häufig kommt es zu harten Zweikämpfen. Und nicht selten wird auf einem aufgeweichten oder vereisten Platz gespielt. Solche Belastungen bringen eine große Verletzungsgefahr mit sich.

Der Stuttgarter Sportmediziner Professor Dr. Klaus Steinbrück hat ermittelt, dass jede dritte Sportverletzung in Deutschland beim Fußballspielen auftritt. Pro Jahr werden hierzulande etwa 350.000 Verletzungen beim Fußballspielen registriert. Bei Jungen von fünf bis 14 Jahren machen Verletzungen beim Fußball die Hälfte aller Sportunfälle aus, zeigt ein Forschungsprojekt der Ruhr-Universität Bochum. Eine Studie des Weltfußballverbandes (FIFA) mit 1890 Fußballerinnen zwischen 13 und 17 Jahren hat belegt, dass ein spezielles Fitnessprogramm die Häufigkeit der Verletzungen um ein Drittel vermindern kann, die Zahl der schweren fast um die Hälfte.

Der 1. FC Kaiserslautern hat im Jahr 2001 auf seinem Jugendtrainingsgelände Fröhnerhof einen Motorik-Parcours zur Verbesserung des Gleichgewichts und der Körperkoordination seiner Nachwuchsspieler aufgebaut. Die Idee hat Dr. Oliver Ludwig, der wissenschaftliche Leiter des Kid-Check, aufgegriffen. In Anerkennung für die beispielhafte Jugendarbeit wurde beim saarländischen SV Furpach ein nach neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen gestalteter Parcours mit fünf Stationen eingerichtet.

Ein solcher Parcours sollte in jedem Training absolviert werden, und zwar gleich nach dem Warmmachen. Zudem sollten die Fußballer die Stationen vor jedem Spiel durchlaufen. Die Übungen verbessern das Körpergefühl und beschleunigen die Reflexe von Nervensystem und Muskeln. Droht beim Spielen zum Beispiel der Fuß umzuknicken, spannen sich die Muskeln schneller an, wodurch sie das Fußgelenk stabilisieren und das Umknicken verhindern.


 

1. Balancieren. Auf Balken, die auf dem Boden rechtwinklig zueinander angeordnet sind, balancieren die Sportler vorwärts, rückwärts, seitwärts. Für viele Kinder ist es anfänglich schwierig, mit geschlossenen Augen auf den Balken zu stehen und zu gehen. Anspruchsvoller wird das seitliches Laufen, wenn das hintere Bein nach vorn gesetzt werden muss. Beim Laufen mit Gegenverkehr müssen die Spieler versuchen, aneinander vorbeizukommen, ohne den Balken zu verlassen. Diese Übungen schulen vor allem das Gleichgewicht.

 

 

2. Hürden. Die niedrigen, aber verschieden hohen Hürden sind in unterschiedlichem Abstand zueinander im Boden verankert. Beim Überwinden der Hindernisse sollten Laufen und Springen nahtlos miteinander gekoppelt werden. Zwischen den Hürden sollten die Kinder nur kurzen Bodenkontakt haben. Möglich sind auch Einbeinsprünge und Hockwenden. Die Übungen schulen die Kopplungsfähigkeit und das Differenzierungsvermögen.

 

 

3. Spirale. In einer engen Spirale, die durch unterschiedliche Bodenbeläge wie Rasen und Mulch sowie in die Erde eingelassene Steine markiert ist, müssen zwei Gruppen aufeinanderzulaufen. Sie dürfen dabei ihre Bahnen nicht verlassen. Ziel ist es, auf engstem Raum auf den „Gegenverkehr“ gezielt zu reagieren und dabei den Laufrhythmus beizubehalten. Die Übung soll die Orientierungsfähigkeit auf engem Raum verbessern.

 

 

4. Slalom doppelt. Dicht nebeneinander verlaufen zwei Slalomstrecken, die mit Pfählen markiert sind. Beide Bahnen werden gleichzeitig genutzt. Die Kinder absolvieren die Slalom-Läufe vorwärts, rückwärts, seitwärts, wobei auch Kombinationen der drei Laufstile möglich sind. Die Stangen können auch komplett umrundet werden. Wechselnde Geschwindigkeit, Kniehebe-Lauf und Anfersen sind Variationsmöglichkeiten. Die Kinder sollen dem Verkehr auf der Nachbarbahn ausweichen, ohne Laufstil und Tempo zu verändern. Diese Übungen verbessern die Reaktions- und Antizipationsfähigkeit und das Orientierungsvermögen.

 

 

5. Baumstümpfe. Die Strecke wird von Baumstümpfen begrenzt, die zum Inneren der Bahn hin abgeschrägt sind. Die Kinder absolvieren die Bahn in einem Sprunglauf, wobei die Füße nur die Baumstümpfe, nicht jedoch den Boden berühren dürfen. Zum Ende hin wird die Aufgabe schwieriger, da der Abstand der Stümpfe zueinander wächst. Die Kinder müssen ihre Bewegungen und ihren Krafteinsatz planen und sich zielgerichtet abstoßen. Diese Übung dient der Differenzierungsfähigkeit und dem Orientierungsvermögen.

 

 

 

 

 

 


Der Fußball-Parcours schult folgende Fähigkeiten

Reaktions-/Antizipationsvermögen: Die Fähigkeit, auf plötzliche Reize mit möglichst kurzer Verzögerung angemessen zu reagieren oder die Situation sogar vorauszuahnen. Beispiel: Reaktion auf Finten des Gegners, Vorausahnen seiner Reaktion. Besonders geeignet: Station 4.

Orientierungsfähigkeit: Die Fähigkeit, die Position seines Körpers im Raum (Spielfeld) oder in Bezug auf ein Objekt (Ball) zu bestimmen. Beispiel: Freilaufen, Anbieten. Besonders geeignet: Station 3, Station 4, Station 5.

Gleichgewichtsfähigkeit: Die Fähigkeit, das Körpergleichgewicht zu halten oder schnellstmöglich wiederherzustellen. Beispiel: Schuss, Zweikämpfe mit Körperkontakt. Besonders geeignet: Station 1.

Rhythmisierungsfähigkeit: Die Fähigkeit, einen eigenen Bewegungsrhythmus zu finden oder sich einem vorgegeben Rhythmus anzupassen. Beispiel: Schrittrhythmus beim Dribbling oder beim Ablaufen des Gegners.

Koppelungsfähigkeit: Die Fähigkeit, Teilbewegungen zu einem flüssigen Gesamtbewegungslauf zu verbinden. Beispiel: Finten sowie Lauf-, Aushol- und Schussbewegungen bei Hüftdrehstößen. Besonders geeignet: Station 2.

Anpassungsfähigkeit: Die Fähigkeit, sich bei wechselnden Situationen schnellstmöglich umzustellen. Beispiel: Spiel bei Regen, auf matschigem Boden. Wechseln auf Hallenboden.

Differenzierungsfähigkeit: Die Fähigkeit, seine Muskulatur exakt zu steuern und seine Kraft bei sensiblen Bewegungen bewusst einzusetzen. Beispiel: Ball seinem Mitspieler gefühlvoll zupassen, egal ob dieser in der Nähe oder weit entfernt steht. Besonders geeignet: Station 2, Station 5.

Kosten und Aufwand
Für den Parcours mit fünf Stationen wird Material (Holz, Befestigungen) im Wert von 2000 Euro benötigt. Professionell gestaltete Tafeln, auf denen die Übungen beschrieben werden, kosten etwa 500 Euro. Für den Bau einer solchen Anlage benötigen sechs Leute drei Vormittage. Als Werkzeuge sind Schaufel, Hacke und Hammer erforderlich.
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