Risiko Diabetes: Immer mehr Süßigkeiten, immer mehr Fett. Viele Kinder in Deutschland ernähren sich falsch und bewegen sich zu wenig. Folge: Die Zahl der Diabetiker unter den Jugendlichen wächst.


Diabetes wird zur Kinder-Krankheit

Ärzte sagen dramatische Zunahme des Leidens voraus

Wenn von gefährlichen Krankheiten die Rede ist, denken wir an Aids, Krebs oder Cholera. Doch eine sehr viel bedrohlichere „Epidemie“ ist die Zuckerkrankheit. Sie trifft immer mehr Kinder.

1985 litten weltweit 30 Millionen Menschen an Diabetes, heute sind es über 180 Millionen. Und bis 2025 rechnet die Weltgesundheitsorganisation mit einer weiteren Verdoppelung dieser Zahl. Bereits heute verschlingt die Behandlung von Diabetes und seiner Spätschäden ein Viertel der Gesundheitsausgaben der westlichen Industrieländer. In Deutschland haben laut einer Hochrechnung des Diabetes-Forschungsinstituts in Düsseldorf 16 Prozent der Deutschen im Alter zwischen 55 und 74 Jahren zu hohe Blutzuckerspiegel. Doch nur die Hälfte weiß davon. Bei weiteren 16 Prozent wurde eine Vorstufe des Diabetes festgestellt, die ohne Behandlung in die Krankheit umschlägt.

Die Langzeitfolgen des Leidens sind verheerend: In den Industrienationen ist Diabetes häufigste Ursache für Erblindungen, Amputationen und Nieren-Krankheiten. Vielfach trägt die Krankheit als einer von vielen Faktoren zu Gefäßverschlüssen, zum Beispiel der Herzkranzgefäße, bei. Am schlimmsten ist jedoch: Auch für Kinder und Jugendliche wird die Zuckerkrankheit zum Problem. Aus medizinisch noch nicht verstandenen Gründen hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Kinder mit Typ-1-Diabetes verdoppelt. Bei diesem Diabetes zerstört der Körper durch einen Irrtum des Abwehrsystems seine eigenen Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Die Ursache ist unbekannt, möglicherweise stoßen Virus-Infektionen diese selbstzerstörerische Reaktion an, auch eine erbliche Belastung könnte eine Rolle spielen. Wenn mehr als 20 Prozent der Spezialzellen abgestorben sind, macht sich der Insulinmangel auf oft dramatische Art und Weise bis hin zum Koma bemerkbar.

Auch der Typ 2 dieses Leidens, früher als „Altersdiabetes“ bezeichnet, ist bei jungen Menschen auf dem Vormarsch. Hier liegen die Ursachen für die Zunahme auf der Hand: Durch Überernährung, Fettsucht und Bewegungsmangel werden die Zellen unseres Körpers zunehmend unempfindlich für Insulin. Als Folge können sie den im Blut gelösten Zucker nicht mehr richtig verwerten. Zunächst steuert der Organismus gegen, indem er die Insulinproduktion hochschraubt. Reicht dies nicht mehr, steigt der Blutzuckerwert. Neben Fehlern in der Lebensführung gibt es auch bei dieser Diabetesform eine erbliche Veranlagung.

Bisher ist die Zahl der Kinder mit Typ-2-Diabetes in Deutschland niedrig. Doch das dürfte sich in den nächsten Jahren ändern, so Dr. Sabine Moser, Ärztin der Kinderklinik Kohlhof in Neunkirchen. Denn der Typ-2-Diabetes werde als Folge des Übergewichts in die jungen Generationen einbrechen. Bereits jetzt sind zwischen zehn und 20 Prozent der deutschen Schulkinder zu dick. Und Daten aus den Vereinigten Staaten lassen wenig Hoffnung für die Zukunft. Als besonders gefährdet gelten Kinder, die nicht nur übergewichtig sind, sondern auch zuckerkranke Familienmitglieder haben.