Skateboard-Fahren ist ein tolles Training fürs Gehirn
Skaten fördert das Koordinations-Vermögen in besonderem Maße
Wie kaum eine andere Sportart stellt das Skaten höchste Anforderungen an die Fähigkeit des Gehirns, eine Bewegung zu steuern und gleichzeitig die Lage des Körpers in der Luft zu kontrollieren.
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Es ist schon schwierig genug, auf beiden Füßen so ruhig zu stehen, dass der Körper kaum schwankt. Auf einem Bein die Balance so zu halten, dass man kaum schwankt, erfordert ein ausgeprägtes Körpergefühl. Bei diesem Test an der Neurologischen Universitätsklinik Homburg konnten die Testpersonen ihre Körperposition auf dem Monitor kontrollieren: Das kleine Rechteck, das die Körperschwankung anzeigt, sollte mitten im Fadenkreuz gehalten werden.

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Die Grafik zeigt, wie der Körper von vorne nach hinten und von links nach rechts schwankt. Obwohl er fest auf beiden Beinen steht, schwankt auch ein gut trainierter Skater noch leicht.

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Soll der Skater mit geschlossenen Augen ruhig stehen, schwankt er deutlich stärker.

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Steht der Skater auf beiden Beinen und kann sich dabei auf dem Bildschirm kontrollieren, schwankt der Körper nur sehr wenig.

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Ein Nichtsportler schwankt beim ruhigen Stehen auf zwei Beinen stark, auch wenn es sich auf dem Bildschirm kontrollieren kann.

Denn die Tricks mit klangvollen Namen wie „Kickflip“ oder „Helipop“ beanspruchen die motorischen Fähigkeiten des Gehirns aufs Äußerste. Nach dem Absprung bleibt bis zur Landung meist weniger als eine halbe Sekunde, um die Bewegung auszuführen. Zu wenig Zeit, als dass die Signale der körpereigenen Sensoren in den Muskeln und Gelenken sowie des Gleichgewichtsorgans im Innenohr das Gehirn noch rechtzeitig erreichen könnten. Zwar melden die Sensoren die Position des Körpers an das Kleinhirn, aber unsere „Leitungsdrähte“ im Rückenmark arbeiten zu langsam. Die Informationen erreichen das Gehirn erst, wenn die Bewegung bereits beendet ist.

Damit eine Bewegung dennoch blitzschnell und letztlich unbewusst ablaufen kann, muss sie bereits im Vorfeld sehr präzise erlernt werden. Nicht umsonst verfügen gute Skater über ein ausgezeichnetes Körpergefühl. Fachleute nennen diese Eigenwahrnehmung des Körpers auch Propriorezeption. Bei einem ausgeprägten Körpergefühl kann das Gehirn eine Bewegung besser lernen und genauer steuern. Skater müssen daher jahrelang üben, um die Tricks sicher zu beherrschen. Erst wenn das Gehirn die Bewegungsabläufe immer wieder geübt hat, laufen sie schließlich unbewusst und automatisch ab.

Auch der Gleichgewichtssinn und das Koordinationsvermögen, also die Fähigkeit, das Zusammenspiel der Muskeln exakt zu steuern, sind bei Skatern fast vorbildlich. Das zeigen Messungen auf einer „Wackelplatte“ in der Neurologischen Universitätsklinik in Homburg. Im Rahmen der Aktion „Kid-Check“ haben Wissenschaftler auf der Wackelplatte das Gleichgewichtsvermögen junger Sportler getestet. Die Aufgabe hört sich einfach an: auf beiden Beinen ruhig stehen bleiben und den Körper nicht bewegen. Beim ersten Durchgang haben die Kinder und Jugendlichen die Augen geöffnet. Das Ergebnis überrascht: Selbst wenn die Testpersonen ganz ruhig stehen, registriert die Messplatte ein leichtes Schwanken des Körpers. Was mit geöffneten Augen noch fast ein Kinderspiel ist, wird bei geschlossenen Augen zu einer echten Herausforderung. Die Computer-Auswertung zeigt, wie der Körper leicht von vorne nach hinten und zur Seite hin schwankt. Das Gehirn kommt bei geschlossenen Augen an seine Leistungsgrenzen, weil die Position des Körpers nur noch durch die Eigenwahrnehmung geregelt werden kann. Die Informationen der Augen, die unsere anderen Sinneseindrücke oft überlagern, fehlen jetzt nämlich ganz.

Bei einem weiteren Durchgang, diesmal wieder mit geöffneten Augen, müssen die Sportler im Stehen ihr Gleichgewicht so exakt kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren,dass auf dem Bildschirm der Punkt, der die Körperschwankung anzeigt, möglichst genau in einem feststehenden Fadenkreuz bleibt. Bei der geringsten Körperschwankung rutscht der Punkt aus dem Fadenkreuz. Hier zeigt sich, wie fein die Muskulatur kontrolliert werden kann, denn kleinste Bewegungen führen bereits zu starken Schwankungen auf dem Bildschirm. Die jungen Skater erreichen gerade bei dieser Übung sehr gute Werte, bessere als die getesteten Fußballer und Nichtsportler. Offenbar hat das Gehirn der Skater im Laufe vieler bewältigter Skateboard-Tricks gelernt, die Informationen aus Muskulatur und Gelenken besser auszuwerten und das muskuläre Zusammenspiel zu optimieren.

Wie wichtig ein gutes Gleichgewichtsvermögen und eine gute Koordination sind, haben verschiedene „Kid-Check“-Studien bewiesen: Kinder und Jugendliche, die über diese Fähigkeiten verfügen, haben deutlich weniger Haltungsschwächen. Ihr Gehirn hält unbewusst den Körper in einer aufrechteren Position und verhindert damit Fehlbelastungen.