Trotz Normalgewicht nicht wirklich fit

Projekt der Universität Jena: Seit über 100 Jahren werden Körpergröße und -gewicht der Bevölkerung gemessen

Auch bei normalgewichtigen Kindern hat der Körperfett-Anteil zugenommen. Möglicherweise haben diese Mädchen und Jungen sogar ein höheres Gesundheitsrisiko als etwas übergewichtige „kernige“ Kinder. In Jena (Thüringen) wird die Bevölkerung seit über 100 Jahren regelmäßig vermessen. Die Wissenschaftler am Institut für Humangenetik und Anthropologie der Friedrich-Schiller-Universität können daher Vergleiche zwischen früher und heute anstellen. So wissen sie, dass die Kinder in den letzten 100 Jahren um durchschnittlich 15 Zentimeter größer geworden sind.

Nach vorläufigen Ergebnissen der jüngsten Untersuchung von 2400 Kindern im Alter zwischen sieben und 14 Jahren bleibt die Größe der Jungen im Moment konstant, bei den Mädchen hat sie sich sogar im Vergleich zu vor fünf Jahren minimal verringert, erklärt die Anthropologin Privatdozentin Dr. Katrin Kromeyer-Hauschild. Es sieht also nicht danach auch, dass die Jugend immer weiter „in den Himmel“ wächst. Anders ist die Lage beim Gewicht. In den Jahren 1985 bis 1995 war der Anteil der dicken Kinder bereits stark angestiegen, momentan liegt er bei zehn Prozent übergewichtigen und drei Prozent stark übergewichtigen Kindern. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt sind diese Zahlen eher niedrig, was am sozialen Gefüge der Stadt Jena liege, erläutert die Wissenschaftlerin. Dort sind die Universität und die feinoptische Industrie die Hauptarbeitgeber, und die Bevölkerung ist im Schnitt gut ausgebildet. 30 Prozent der Eltern aller untersuchten Kinder haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. Trotzdem sind auch in Jena die Kinder in den vergangenen Jahren wieder etwas schwerer geworden, allerdings nicht mehr so rasant wie zwischen 1985 und 1995.

Neben Kalorien-Überschuss und Bewegungsmangel denken die Anthropologen über eine weitere mögliche Ursache nach: Die Mütter werden immer älter und somit im Schnitt selbst schwerer, was sich wiederum auf die Babys auswirkt. „Bereits während der Reifung im Mutterleib werden beim Kind hormonelle Regelkreise beeinflusst, die später Hunger und Gewichtszunahme steuern“, erklärt die Anthropologin.

Aber dies ist nicht der einzige Anlass zur Sorge. „Wir schauen immer nur auf die Übergewichtigen, doch auffällig ist auch, dass bei den normalgewichtigen Kindern der Körperfettanteil zugenommen hat“, sagt Katrin Kromeyer-Hauschild. Es scheint logisch, dass sich ungünstige Ernährungs- und Bewegungsmuster auch auf die Kinder auswirken, die keine augenscheinlichen Fettdepots mit sich herumtragen. Was dies für die Gesundheit bedeutet, müsse noch offen bleiben, so die Expertin. „Es ist möglich, dass ‚wabbelige' normalgewichtige Kinder sogar ein höheres Gesundheitsrisiko haben als ,kernige', etwas übergewichtige Kinder“, meint sie.