Kinder haben mehr Luft als ihre Eltern

Bei Ausdauertests bringt der Nachwuchs bessere Leistungen

Weil vor allem ihre Bauch- und Rücken-Muskeln zu schwach und mangelhaft trainiert sind, leiden die meisten Kinder und Jugendlichen unter Haltungsschwächen. Das gilt selbst für gute Sportler. Bessere Noten erhalten Kinder für ihre Ausdauer. Studien der Sporthochschule Köln und der Universität Ulm belegen, dass Kindern und Jugendlichen so schnell die Luft nicht ausgeht.
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Kinder, die täglich ihrem natürlichen Bewegungsdrang folgen und sich im Freien bewegen, haben ein leistungsfähiges Herz-Kreislauf-System.

„Weil Kinder oft noch ihrem natürlichen Bewegungsdrang folgen, sind ihr Herz und ihr Kreislauf leistungsfähiger und belastbarer, als das bei Erwachsenen der Fall ist“, erklärt Professor Dr. Richard Rost vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Sporthochschule Köln. Rost und seine Mitarbeiter testeten 400 Mädchen und Jungen im Alter zwischen sechs und 18 Jahren auf einem Fahrradergometer. Die Kinder erzielten zwischen 15 und 25 Prozent bessere Werte als Erwachsene. So erzeugten die Jungen auf dem Fahrrad im Schnitt pro Kilogramm Körpergewicht 3,5 Watt Leistung; junge Männer hingegen erreichen lediglich 3 Watt. Zum Vergleich: Profi-Radfahrer kommen auf 6 Watt.

Die Mädchen erzielten bei dem Ausdauertest Werte von 3,3 Watt pro Kilogramm Körpergewicht, Frauen aber nur 2,5 Watt. Darüber hinaus nehmen Kinder – gemessen pro Kilogramm Körpergewicht – bei jedem Atemzug rund 20 Prozent mehr Sauerstoff auf als Erwachsene: Beim Kölner Test sogen die Jungen unter hoher Belastung 50 Milliliter (ml) Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht ein, die Mädchen 45 Milliliter. Männer kommen im Durchschnitt nur auf Werte von 40 ml/kg, Frauen auf 35 ml/kg. Spitzensportler erreichen hingegen bis zu 80 ml/kg.

Auch Dr. Jürgen Steinacker, leitender Oberarzt für Sport- und Leistungsmedizin an der Universität Ulm, der gemeinsam mit einem Herzspezialisten mehr als 100 Kinder zwischen fünf und 13 Jahren auf dem Laufband getestet hat, kommt zu dem Ergebnis: „Kinder sind relativ leistungsfähiger als Erwachsene.“ Das Laufband bewegte sich zunächst mit einer Geschwindigkeit von 2,5 km/h. Nach jeweils zwei Minuten wurde das Tempo um 0,5 km/h gesteigert, zudem wurde eine dreiprozentige Steigung zugeschaltet. Die fünf- bis siebenjährigen Mädchen und Jungen meisterten im Schnitt 14,85 Minuten auf dem Laufband. Das entspricht 6 km/h bei einer 18-prozentigen Steigung. Die acht- bis zehnjährigen Kinder blieben durchschnittlich 16 Minuten lang auf dem Laufband, die Elf- bis 13-Jährigen schafften 17 Minuten. „Obwohl auch untrainierte Kinder erfreulich gute Leistungen zeigten, erzielten die Mädchen und Jungen, die regelmäßig Sport treiben, um 20 Prozent bessere Werte“, erläutert Jürgen Steinacker.

Aus der Ulmer Studie lässt sich herauslesen: Im Alter von zwölf und 13 Jahren erreichen Kinder die besten Leistungen. Auch untrainierte Kinder sind dann ausdauermäßig noch recht fit, weil sie sich aus einem natürlichen Bedürfnis heraus häufig bewegen. Danach werden die Leistungsunterschiede größer. Gut trainierte 16-jährige Jugendliche haben eine maximale Sauerstoffaufnahme von 60 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht; untrainierte Altersgenossen leisten 50 Prozent weniger, erreichen also nur noch den „Erwachsenen-Wert“ von 40 ml/kg. Zum Thema Leistungssport im Kindesalter erklärt Professor Rost: „Herzexperten haben keine Bedenken, dass Kinder schon sehr früh intensiv trainieren. Eine Schädigung des Herzens ist nicht zu befürchten.“ Nach einem Vergleich von 400 willkürlich ausgewählten Kindern mit 200 leichtathletischen Talenten können die Kölner Sportmediziner belegen, dass ein leistungsfähiges so genanntes Sportherz immer nur durch Training erworben werden kann, nicht aber angeboren ist. Nur ein gut trainiertes Herz garantiert den maximalen Sauerstoff-Transport im Körper. Unter diesem Gesichtspunkt haben die Kölner Sportmediziner auch acht- bis zehnjährige Kinder verglichen, von denen ein Teil Leistungsschwimmen betreibt. Die jungen Schwimmer konnten deutlich mehr Sauerstoff aufnehmen als die anderen Kandidaten und verfügten über ein größeres Herzvolumen. Jürgen Steinacker von der Uni Ulm betont: „Man kann von Kindern sehr wohl Leistung fordern. Allerdings muss kindgerecht trainiert werden. Wenn Kinder im Sport von selbst großen Ehrgeiz entwickeln, sollte man das unterstützen.“ Sorgen macht sich der Arzt hingegen, weil der Spiel- und Bewegungsdrang der Kinder von den Eltern oft gebremst werde. „Statt eine Fahrradtour zu starten oder draußen mit dem Ball zu spielen, liegt die ganze Familie faul vor dem Fernseher“, bedauert Steinacker.