Wie es zum Hohlkreuz kommt

Die wesentlichen Ursachen sind schwache Muskeln und fehlende Körperbeherrschung

Ein Hohlkreuz ist nicht zu übersehen: Der Bauch ist nach vorn gewölbt, der untere Rücken auffallend hohl. Bei Klein- und Schulkindern bis zum Alter von zehn Jahren ist eine Hohlkreuzhaltung wachstumsbedingt allerdings meistens normal. Bei Kindern ab zehn Jahren sollte jedoch kein ausgeprägtes Hohlkreuz mehr festzustellen sein. Es gibt vier wesentliche Ursachen für ein Hohlkreuz: schwache Muskulatur, schlecht gedehnte Muskulatur, fehlende Körperbeherrschung sowie krankhafte Veränderungen der Wirbelsäule wie zum Beispiel Wirbelgleiten.

43 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren leiden unter einem deutlichen Hohlkreuz. Das hat die Untersuchung von 2500 Mädchen und Jungen an der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie der Universität des Saarlandes im Rahmen des Kid-Check-Projekts gezeigt. Den Kindern gelingt es nicht, ihr Becken und ihre Hüfte stabil zu halten und ihre Wirbelsäule aufzurichten und gerade zu halten.

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Grafik 1: Bei einem Hohlkreuz wölbt sich der Bauch nach vorn. Ein Blick ins Innere des Körpers zeigt, dass das Becken und die darin verankerte Wirbelsäule nach vorn gekippt sind. Ursache sind in der Regel schwache und schlecht gedehnte Rumpfmuskeln.

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Grafik 2: Nur starke Bauchmuskeln können den vorderen Beckenrand nach oben ziehen, und starke obere Rückenmuskeln halten den Brustkorb aufrecht, damit ihn die Bauchmuskulatur vorne nicht herunterzieht. Dieses Zusammenspiel verhindert ein Hohlkreuz.

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Grafik 3: Ein Hohlkreuz bildet sich, wenn die verkürzte Hüftbeuge-Muskulatur das vordere Becken und die vordere untere Wirbelsäule nach unten zieht. Das Hohlkreuz verstärkt sich, wenn gleichzeitig die verkürzte Rückenmuskulatur das hintere Becken nach oben zieht.

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Grafik 4: Bei einer guten Körperhaltung ist das Becken aufgerichtet und somit auch die fest im Beckenknochen verankerte Wirbelsäule. Durch Kräftigen und Dehnen von Bauch-, Rücken-, Gesäß- und Hüftbeuger-Muskeln kann man ein Hohlkreuz wegtrainieren. Illustrationen: Karl Heppe

Um die Wirbelsäule vollständig aufrichten und gerade halten zu können (Grafik 2), müssen im Wesentlichen vier Muskelgruppen zusammenarbeiten: die Bauchmuskeln, die Rückenmuskeln, die Gesäßmuskeln sowie die Hüftbeugemuskeln. Sind die genannten Muskeln jedoch zu schwach oder schlecht gedehnt (verkürzt) und mangelt es dem Kind auch noch an Körpergefühl – der Fähigkeit, die erforderlichen Muskeln bewusst zu spannen –, kippt das Becken deutlich nach vorne und es bildet sich ein Hohlkreuz.

Zwar ist das Becken natürlicherweise auch bei Kindern mit guter Körperhaltung im Stehen leicht nach vorn gekippt. Kraftdefizite und fehlende Körperspannung verstärken jedoch die Kippung und führen zu einem ausgeprägten Hohlkreuz.

Die Hüftbeuge-Muskulatur zählt zu den Hauptschuldigen am Hohlkreuz. Sie verbindet das vordere Becken mit dem vorderen Oberschenkel und hebt den Oberschenkel beim Gehen und Laufen. So wird sie im Alltag gut trainiert. Je mehr ein Muskel an Masse zulegt, desto eher neigt er dazu, sich zu verkürzen. Das heißt, er verliert an Geschmeidigkeit und hat eine erhöhte Grundspannung. Die Hüftbeuge-Muskulatur verkürzt auch, weil Kinder täglich stundenlang sitzen: in der Schule, bei den Hausaufgaben, vorm Computer und vorm Fernsehgerät.

Der kräftige und verkürzte Hüftbeuger zieht das vordere Becken nach unten (Grafik 3). Da die Wirbelsäule fest im Beckenknochen verankert ist, kippt durch die Beckenkippung auch die gesamte Wirbelsäule nach vorn und damit der Oberkörper. Das Kind bemüht sich, den vorgeneigten Oberkörper wieder aufzurichten. Wegen des gekippten Beckens bleibt aber der untere Teil der Wirbelsäule vorgeneigt, und erst im Brustbereich kann das Kind die Wirbelsäule wieder aufrichten. Die Wirbelsäule nimmt dadurch die typische Hohlkreuzform an. Eine verkürzte Hüftbeuge-Muskulatur verhindert auch, dass man die Hüfte beim Laufen komplett strecken kann. Das hat eine verkürzte Schrittlänge zur Folge. Um die verkürzten Hüftbeuger wieder geschmeidig zu machen, müssen sie regelmäßig gedehnt werden.

Außerdem ist es erforderlich, Bauch-, Rücken- und Gesäßmuskulatur zu kräftigen und zu dehnen. Denn es ist deren Aufgabe, den starken Zugkräften der Hüftbeuger-Muskulatur entgegenzuwirken, das gekippte Becken wieder in die optimale Position zu ziehen und dadurch die Wirbelsäule aufzurichten.

Die Bauchmuskeln sind als Gegenspieler der Hüftbeuge-Muskulatur dafür zuständig, das vordere Becken nach oben zu ziehen und die Wirbelsäule von vorne zu stützen (Grafik 2). Bei den meisten Kindern und Jugendlichen sind die Bauchmuskeln jedoch zu schwach, um diese Aufgabe bewältigen zu können. Kippt das Becken nach vorne weg, dann drücken die inneren Organe aufgrund ihres Eigengewichtes nach vorne. Da eine schwache Bauchmuskulatur dem nichts entgegenzusetzen hat, wölbt sich der Bauch nach vorne und die verlagerten Organe verstärken die Vorkippung des Beckens.

Die Gesäßmuskeln haben unter anderem die Aufgabe, das hintere Becken nach unten zu drehen und zu stabilisieren. Die Gesäßmuskeln sind aber meist zu schwach, um ihre Funktion erfüllen zu können.

Der Rückenmuskulatur fehlt es ebenfalls häufig an Kraft. Dennoch ist sie im Vergleich zur Bauchmuskulatur meist stärker. Die Rückenmuskulatur ist allerdings oft schlecht gedehnt und steht unter erhöhter Grundspannung. Das hat zur Folge, dass sie das hintere Becken nach oben zieht, wodurch die untere Wirbelsäule noch stärker bogenförmig gespannt und das Hohlkreuz verstärkt wird (Grafik 3).

Die obere Rückenmuskulatur spielt eine wichtige Rolle, wenn ein Hohlkreuz wegtrainiert werden soll. Das mag auf Anhieb nicht einleuchten. Um das gekippte Becken und die Hüfte anheben zu können, muss die Bauchmuskulatur angespannt werden. Oben sind die Bauchmuskeln am Brustbein aufgehängt (Grafik 2). Spannt man die Bauchmuskeln an, ziehen sie sich zusammen. Damit dadurch nicht das Brustbein nach unten gezogen wird und der obere Rumpf nach vorne kippt, muss die obere Rückenmuskulatur den Oberkörper fixieren (Grafik 2). Ist diese Wirbelsäulenstreckmuskulatur jedoch zu schwach, kann sie diese Aufgabe nicht erfüllen.

Zudem kann die zu schwache Muskulatur nicht verhindern, dass bei häufigem Sitzen an Schulbank und Schreibtisch die Brustwirbelsäule, der mittlere Teil der Wirbelsäule, stark gekrümmt wird. Bei ständiger ungünstiger Sitzhaltung hängen Schultern und Kopf nach unten, es bildet sich ein Rundrücken. Dieser tritt häufig in Kombination mit einem Hohlkreuz auf. Martin Lindemann