Schlapp und schlaff: Auch viele junge Sportler haben Haltungsschwächen

Über 1600 Kinder und Jugendliche wurden bisher bei der Fitness-Aktion „Kid-Check“ der Universität des Saarlandes und der „Saarbrücker Zeitung“ von Ärzten und Wissenschaftlern auf Haltungsschwächen und -schäden untersucht. Die Ergebnisse dieser Tests sind alarmierend: Fast 60 Prozent der getesteten Teilnehmer sind durch Haltungsprobleme aufgefallen.

„Kid-Check“: Bei dieser großen Fitness-Aktion der Saar-Universität untersuchen Ärzte und Wissenschaftler kostenlos Kinder und Jugendliche auf Haltungsschäden, testen ihre Kraft und Beweglichkeit. Seit November 1999 wurden mehr als 1600 Mädchen und Jungen im Alter von vier bis 18 Jahren gecheckt.
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Die schlechte Körperhaltung dieses Jungen ist offensichtlich. Was aber sind die Ursachen? Fehlt es nur an Kraft, um sich aufzurichten, oder kann der Jugendliche seine Muskulatur nicht richtig ansteuern? Solche Fragen werden bei den Kidcheck-Untersuchungen geklärt.

Die Resultate sind alles andere als berauschend. 55 Prozent der beteiligten Kinder und Jugendlichen weisen Haltungsschwächen auf, nur 45 Prozent können auf Anhieb eine stabile Haltung einnehmen. Das ist Besorgnis erregend, weil beim „Kid-Check“ zum großen Teil junge Sportler untersucht wurden, die regelmäßig in einem Verein trainieren.

13 Prozent der Kinder haben eine dermaßen schlechte Körperhaltung, dass Haltungsschäden drohen, die sich in späteren Jahren kaum noch korrigieren lassen. Die deutlichen Haltungsschwächen, unter der mehr als die Hälfte der Mädchen und Jungen leiden, sind oft mit bloßem Auge zu erkennen. „Das Becken sinkt nach vorne ab, es bildet sich ein deutliches Hohlkreuz. Die Schultern hängen nach vorne, und teilweise hat sich ein stark ausgeprägter Rundrücken gebildet“, erklärt Dr. Oliver Ludwig, der wissenschaftliche Leiter der Aktion „Kid-Check“.

Er und sein Kollege Dirk Mazet von der Arbeitsgruppe „Technische Biologie/Bionik“ an der Universität Saarbrücken ermitteln bei den Kindern die Qualität der Körperhaltung. Mit einem eigens für „Kid-Check“ entwickelten optischen Computer-Messverfahren wird zunächst die Symmetrie der Wirbelsäule überprüft. Dabei zeigt sich, ob die Wirbelsäule verkrümmt ist. Die Wissenschaftler untersuchen auch, ob Schultern und Becken schief stehen.

Zudem ermitteln die Uni-Mitarbeiter Kraft und Dehnbarkeit der Bein- und Rumpfmuskulatur. Diese Tests belegen, dass zu schwache Bauch- und Gesäßmuskeln sowie verkürzte Muskeln zu Haltungsschwächen führen. „Bei 84 Prozent aller Kinder war die Hüftbeuge-Muskulatur mangelhaft gedehnt“, erläutert Oliver Ludwig. Diese Hüft-Lenden-Muskeln – die zwischen Becken und Oberschenkel sitzen – ziehen, wenn sie verkürzt sind, das Becken nach vorn. Dadurch bildet sich meist ein Hohlkreuz. Bei 30 Prozent der Mädchen und Jungen sind auch die hinteren Oberschenkel-Muskeln (Kniebeuger) mangelhaft gedehnt, bei elf Prozent zudem die vorderen Oberschenkel-Muskeln (Kniestrecker).

Normalerweise gelingt es einer starken Bauch-, Rücken- und Gesäßmuskulatur, die Wirbelsäule aufrecht zu halten. Man spricht auch von Muskelkorsett oder Muskelmantel. Sind diese Muskeln jedoch schlapp und schlaff, können sie die Wirbelsäule nicht ausreichend stützen. Hohlkreuz und Rundrücken sind die Folgen. Diese Haltungsschwächen werden dadurch verstärkt, dass die Brust- und Rückenmuskeln häufig verkürzt sind. Wie „Kid-Check“ zeigt, haben 45 Prozent der Kinder zu schwache Bauchmuskeln, um sich gerade halten zu können.

Das optische Verfahren, bei dem der Verlauf der Wirbelsäule überprüft und im PC ausgewertet wird, brachte ans Licht, dass bei 15 Prozent der Kinder die Wirbelsäule nicht symmetrisch verläuft. Sie ist seitlich verkrümmt (Skoliose). In diesen Fällen schließt sich eine genauere orthopädische Untersuchung an. „Wir haben festgestellt“, so Oliver Ludwig, „dass sich bei den Kindern und Jugendlichen die Körperhaltung mit zunehmendem Alter verschlechtert und Muskelverkürzungen häufiger werden.“ Es zeigt sich eindeutig, dass bei Sportarten, die eine gute gedehnte Muskulatur erfordern – zum Beispiel Turnen und Kampfsport –, Muskelverkürzungen viel seltener vorkommen.